Konflikte, Kontroversen, Kompromisse. Feministische Streitkulturen von 1800 bis heute

Konflikte, Kontroversen, Kompromisse. Feministische Streitkulturen von 1800 bis heute

Veranstalter
Frauen & Geschichte Baden-Württemberg / Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg
Veranstaltungsort
Haus auf der Alb, Bad Urach
PLZ
72574
Ort
Bad Urach
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
27.09.2024 - 29.09.2024
Deadline
31.10.2023
Von
Frauen & Geschichte Baden-Württemberg e.V.

Der Verein Frauen & Geschichte Baden-Württemberg feiert vom 27. bis 29. September 2024 sein 30-jähriges Jubiläum in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg mit einer Konferenz im „Haus auf der Alb“, Bad Urach.

Konflikte, Kontroversen, Kompromisse. Feministische Streitkulturen von 1800 bis heute

Der Verein Frauen & Geschichte Baden-Württemberg feiert sein 30-jähriges Jubiläum mit einer dreitägigen Konferenz. Die Veranstaltung findet in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg vom 27. bis 29. September 2024 im Haus auf der Alb in Bad Urach statt. Ziel ist es, historische Konflikte unter frauenbewegten Akteur:innen zu beleuchten. Im Fokus der Veranstaltung stehen die Frage nach und die konstruktive Analyse von feministischen Streitkulturen in Deutschland, Europa und der Welt, von 1800 bis heute.

Feminist:innen arbeiteten stets im regionalen, nationalen und internationalen Austausch. Sie adaptierten und verwarfen Ideen und Praktiken, kopierten Strategien und Methoden oder lehnten sie ab, übernahmen Zukunftsentwürfe und Protestformen oder missbilligten sie. Die Ansatzpunkte für Kontroversen waren so divers wie die Beteiligten und ihre feministischen Infrastrukturen. Die Schwarze Bürgerrechtlerin Sojourner Truth fragte 1851 ihre imperialistischen „Schwestern“: „Ain’t I a woman?“; Arbeiterinnen kritisierten bürgerliches Frauenbewegungsengagement als systemstützend; Bürgerinnen positionierten sich gegen Prostitution; „Radikalisierungen“ entstanden u. a. nach persönlichen Divergenzen der Aktivist:innen; Historikerinnen diskutierten über die Schuld von Frauen am und im Nationalsozialismus; die ‚neuen‘ Frauenbewegungen grenzten sich von ‚alten‘ Frauenbewegungen ab; deutsch-deutsche Beziehungen förderten feministische Kontroversen über DDR- und BRD-Systemgrenzen hinweg; „Krüppelfrauengruppen“ der 1980er-Jahre thematisierten Behindertenfeindlichkeit in den Debatten um §218; Generationenkonflikte sind wiederkehrende Streitauslöser; usw.

Ziel der dreitägigen Konferenz ist es, historische Konflikte unter frauenbewegten Akteur:innen sichtbar zu machen. Anlässlich des Jubiläums von Frauen & Geschichte Baden-Württemberg interessieren uns feministische Streitkulturen in Baden-Württemberg, Deutschland, Europa und der Welt, von ca. 1800 bis heute: „Denn mit dem Wissen über die Kämpfe und Kontroversen der Vergangenheit entsteht auch eine andere Wahrnehmung der Konflikte der Gegenwart. Welch ein Unterschied, wenn wir als ‚feministische Erkenntnis‘ nicht die ‚Geschichte der Antworten‘ zu überliefern versuchen, sondern die ‚Geschichte des Fragens‘!“ (1)

Für ein „Gedächtnis der Konflikte“… (2)
Feministische Geschichten sind auch Geschichten von Konflikten und komplexen Disputen. Feministische Akteur:innen stritten über Zielsetzungen, über Inhalte, über Strategien, über Zugehörigkeiten, über Persönliches u.v.m. Wir fragen: Wie? Welche Formen, welche Foren und welche Forderungen prägten Streit unter den Beteiligten? Und inwiefern können wir aus den Geschichten über das Wie, Warum und Wo feministischer Streitigkeiten für heutige Auseinandersetzungen lernen?

Mit „Streit“ wird i. d. R. Uneinigkeit, gar Kampf oder Handgemenge assoziiert. Der Begriff zielt umgangssprachlich auf eine Form des Auseinandergehens und wurde jüngst mitunter polemisch aufgeladen. Diesem einseitigen Begriffsinhalt setzen wir einen konstruktiven Streitbegriff entgegen, den wir – in feministischer Tradition (3) – als offene Auseinandersetzung verstehen. Streit deuten wir damit als konfliktbeladene Beziehungsprozesse. Dabei waren Ausgestaltung, Dauer, Intensität und Beendigung von Konflikten kontext- wie personenabhängig. Wir gehen davon aus, dass Geschichten über Kontroversen sowie das Tradieren offener bis emotionalisierter Auseinandersetzungen innerhalb feministischer Communities (empowernde) Erkenntnis ermöglichen. Susanne Maurers Vorschlag aufgreifend, fragen wir nach feministischen Streitkulturen als Beitrag zu Frauenbewegungsgeschichte als „Gedächtnis der Konflikte“.

Von „Ain’t I a woman?“ bis “neu vs. alt”: Feministische Kontroversen und Streitfor(m)en
Spätestens seit den Revolutionen in Haiti, England und Frankreich Ende des 18. Jahrhunderts lautete das (auch politische) Versprechen in Europa und ‚dem Westen‘: Gleichheit und Freiheit für alle. Schnell wurde deutlich, dass Frauen – neben weiteren Gesellschaftsgruppen – nicht mitgemeint waren. Frühe Proteste wie jener von Olympe de Gouges 1793 machten die zunehmend rechtliche Vereinheitlichung geschlechtsspezifischer Ungleichheiten sichtbar. Doch war der feministische Kampf gegen geschlechtsbedingte Diskriminierung, als vielfältiges historisches Phänomen, kein einheitlich geführter Kampf für alle Frauen. Politische Positionen, Utopien, Lebenswelten und individuelles soziales Handeln divergierten innerhalb von Frauenbewegungskreisen.

Binnendifferenzen in feministischen Forderungen traten in rassistischen, klassistischen, konfessionellen, körperlichen und erfahrungsbasierten Verschränkungen hervor. (4) Das Streiten erscheint aus dieser Perspektive als Teil von Verständigungsprozessen. Die Analyse von Konflikten in Frauenbewegungen begreifen wir als Baustein für eine selbstreflexive Geschichtsschreibung, für die zuletzt Sylvia Schraut und Angelika Schaser plädierten. (5) Zudem interessieren wir uns für feministische Auseinandersetzungen um verallgemeinernde wie gleichmachende Konstruktionen von „Frauen“. (6) Mit Fokus auf (geschichts-)wissenschaftliche Kontroversen unter feministischen Akteur:innen zielen wir zugleich auf deren Überwindung – auch zugunsten einer „Weiterentwicklung der Historiographie von Frauenbewegung/en“ (7).

… oder: Für eine „Geschichte des Fragens“ (8)
Wir fragen nach Erzählungen und Analysen von innerfeministischen Kontroversen seit ca. 1800 bis heute, innerhalb der vier – einander überlappenden – Oberthemen
- Historiographie, Tradierung & Erinnerung
- Ziele, Themen & Inhalte
- Räume, Infrastrukturen & Praktiken
- Streitbeendigungen, Lösungen & Konsequenzen

Wir freuen uns auf vielfältige Beiträge zu Konflikten in Frauenbewegungszusammenhängen, die wir zusammentragen und auf ihren spezifischen Gehalt feministischer Streitkulturen analysieren wollen.

Mögliche Beitragsfragen lauten:
- Was galt als Streit – was lesen wir als Streit?
- Wie erfuhren und gestalteten die Akteur:innen innerfeministische Auseinandersetzungen? Wozu und wie wurde gestritten? Mit welchen Konsequenzen?
- Inwiefern bildeten die Akteur:innen Infrastrukturen feministischer Streitkulturen aus bzw. inwiefern werden (und wurden) historiographische oder epistemologische Konflikte tradiert?
- In welchen Räumen (Teilöffentlichkeiten) wurden Konflikte wie sichtbar (geführt)?
- Welche feministischen Positionierungen und Verhaltensweisen führten zu Streit? Kam es zu Kompromissen, Solidarisierungen und (demonstrativen?) Abgrenzungen?
- Welche Kontexte und Machtverhältnisse bedingten welches streitbare Aufbegehren samt entsprechender Praktiken im sozialen Handeln? Mit welchen Konsequenzen für die Teilhabenden?
- Nach welchen Spielregeln wurde gestritten? Welchem Wandel entlang welcher Zäsuren unterlagen diese? (Wer durfte wann wie Streit auslösen und wer tat es?)
- Wie und warum wurden Streitigkeiten beigelegt?
- Welche Streitkulturen (gibt oder) gab es zwischen Generationen?

Organisatorisches
Die Tagung findet vom 27. bis 29. September 2024 in Bad Urach statt. Wir freuen uns auf Abstracts (max. 300 Wörter) bis zum 31. Oktober 2023. Geplant sind Beiträge von 30 Minuten Dauer mit anschließender Diskussion. Ein Tagungsband ist vorgesehen.
Die Konferenzsprache ist deutsch. Englischsprachige Beiträge sind möglich.
Die Veranstaltung wird organisiert von Frauen & Geschichte Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg.

Rückfragen bitte an konferenz2024@frauen-und-geschichte.de. Weiterführende Informationen gibt es unter „Aktuelles“ auf www.frauen-und-geschichte.de.

Kontakt
Frauen & Geschichte Baden-Württemberg e.V.
Geschäftsstelle
Rümelinstr. 2
D - 72070 Tübingen
Fon +497071 / 365330
konferenz2024@frauen-und-geschichte.de
https://www.frauen-und-geschichte.de

(1) Susanne Maurer (2015): Wie erforschen, was sich bewegt?, in: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechterge-schichte 67-68, S. 30-39, hier S. 38 Sp. 1.
(2) Ebenda.
(3) Seyla Benhabib/Judith Butler/Drucilla Cornell/Nancy Fraser (1993): Der Streit um die Differenz, Frankfurt a.M.
(4) Vgl. Intersektionale Perspektivierung nach Kimberlé Crenshaw (1991): Mapping the Margins: Intersectionality, Identity Politics, and Violence against Women of Color, in: Stanford Law Review 43, 6, S. 1241.
(5) Angelika Schaser/Sylvia Schraut (2019): Einleitung. Die (fehlende) Historiographie zu den Frauenbewegungen in Europa, in: dies./dies./Petra Steymans-Kurz (Hg.): Erinnern, vergessen, umdeuten? Europäische Frauenbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt/New York, S. 7-21.
(6) Johanna Gehmacher/Natascha Vittorelli: Einleitung, in: dies./dies. (Hg.): Wie Frauenbewegung geschrieben wird, Wien 2009, S. 13.
(7) Ebenda.
(8) Maurer (2015): Wie erforschen, hier S. 38 Sp. 1.

Kontakt

konferenz2024@frauen-und-geschichte.de

Frauen & Geschichte Baden-Württemberg e.V.
Geschäftsstelle
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D - 72070 Tübingen
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